Kaum eine Floskel hat mich in den letzten Wochen so genervt wie diese. “In Zeiten wie diesen…” beginnt gefühlt jeder zweite Kommentar und fast jedes politische Argument. Die CDU in Hessen baut mit diesem Halbsatz sogar eine ganze Wahlkampfplakatserie auf. Fast jede Branche muss “in Zeiten wie diesen” mit ihren Mitteln haushalten und vom Bürger wird “in Zeiten wie diesen” besonderer Einsatz und Opferbereitschaft verlangt. Aber warum eigentlich?
Haben wir wirklich andere Zeiten als vorher? Ja, hoffentlich!, denn Stillstand wäre noch schlimmer als eine Wirtschaftskrise, der man zu Gute halten muss, dass sie diejenigen zum Um- und vor allem Weiterdenken zwingt, die es sich vorher schön bequem gemacht haben.
Totschlagargument statt Begründung
Was mich an diesem Satzfragment aber am meisten stört ist, dass es in jedem nur denkbaren Zusammenhang als Totschlagargument verwendet wird. Als Universalbegründung für Aktionen und Entscheidungen, die zu “normalen Zeiten” nicht von der Bevölkerung akzeptiert würden. “In Zeiten wie diesen” müssen die Personalkosten minimiert werden, müssen Unternehmen umstrukturiert, Gesetze geändert, Investitionen verschoben, Kontrollen verschärft, Branchen verstaatlicht, und mitunter auch der Bürger gegängelt werden.
Das erinnert mich doch zu sehr an eine andere Universalbegründung, die nicht nur den großen Bruder USA seit dem Herbst 2001 nach innen wie außen hat um sich schlagen lassen. Damals hieß (und heißt) der Feind Terrorismus und diente der US-Regierung unter George W. Bush als Vorwand, Bürgerrechte einzuschränken und in Guantanamo Menschen ohne Anklage und fairen Prozess festzuhalten. In Deutschland kamen Vorratsdatenspeicherung und BKA-Gesetz. Heute ist es die Wirtschaftskrise, die quer durch alle Parteien einen wohlfeilen Grund für die Durchsetzung eigener Interessen liefert.
Politiker wie Unternehmen haben im Moment sicher keinen leichten Job, wenn es darum geht die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen und im großen Stil die nationalen Volkswirtschaften und den globalen Geld- und Warenverkehr wieder in Gang zu bringen. Darum beneide ich sie nicht und ich fühle mit den Menschen, die durch die Verwerfungen ihren Job verloren haben oder Angst um ihn haben. Die Probleme müssen gelöst werden, keine Frage!
Doch es ist schlicht Demagogie, wenn Volksvertreter und Unternehmensbosse mit dem Allgemeinplatz “in Zeiten wie diesen” ihre Reden beginnen, um in der Folge Entlassungen zu verkünden, Ausgaben zu kürzen, Verträge zu kündigen oder neue staatliche Kontrollen als notwendig zu verkaufen.
Debatte statt Demagogie
Auch wir Kommunikationsmanager und -berater sollten wir nicht zu diesem billigen Mittel greifen, um eine Begründung für unser Handeln oder das unserer Klienten zu liefern. “In Zeiten wie diesen” kann allenfalls den Rahmen setzen für ein Argument, das dann in der Sache gut begründet und verständlich erklärt und in offener (politischer wie persönlicher) Diskussion ausgeführt wird.
“Das müssen wir jetzt so machen, weil die Zeiten eben hart sind”, ist meines Erachtens eine argumentative Nullnummer. Sie erschlägt jede Diskussion um den richtigen Weg für die Zukunft, indem sie die Angst der Menschen vor der Zukunft beschwört. Es ist aber Aufgabe von Kommunikatoren, Unternehmenslenkern und Politikern, den Menschen die Zukunft schmackhaft zu machen, ihnen einen Weg aufzuzeigen, der die Dinge besser werden lässt. In Unternehmen wie im Privaten. Den Weg beschreiten muss letztlich jeder selbst. Eigenes Engagement ist also gefragt, und die Bereitschaft, Veränderung als eine Schaffenskraft anzunehmen und mit ihr zu experimentieren. Angst vor der Zukunft lähmt jedoch die Motivation, selbst etwas zu unternehmen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch, liebe Leser ein aufregendes, erfolgreiches und gutes Jahr 2009 voller kreativer Veränderung und die nötige Gesundheit, die Dinge anzupacken, die vor uns liegen!