Er hält sich enorm hartnäckig im Sprachgebrauch, der Begriff von den “Neuen Medien” (gern mit großem N, wie in “Neues Testament”). Wer diesen Terminus verwendet, meint damit alles mit Computer, oder wahlweise alles mit Internet und impliziert mit seiner Wortwahl, dass es auch “alte Medien” gibt (die meist mit kleinem a). Das sind dann so Dinge wie Bücher, Zeitung, Radio und Fernsehen.
Wenn ich jemand “Neue Medien” sagen höre, stellen sich mir die Nackenhaare hoch. Denn meine persönliche Erfahrung zeigt, dass jemand der “Neue Medien” sagt, dem Neuen nicht sonderlich aufgeschlossen gegenübersteht. Oft geht das mit Angst aus Unwissen einher. Leute, die “Neue Medien” sagen, bestellen auch gern einen “Beauftragten für Neue Medien” – einen Internetversteher. Das ist der – meist jüngere Kollege – der einen eigenen YouTube-Account hat, oder Facebook schon von innen gesehen hat.
“Neue Medien”, das klingt nach immernoch nicht im Hier und Jetzt angekommensein. Nach Unsicherheit und der Suche nach Rat, ja Schutz, vor dem Unbekannten. Wenn ein “Neue Medien”-Sager fortschrittlich ist, dann fühlt er sich immerhin mit dem Schreiben von E-Mails leidlich wohl. Denn das kennt er. Auch etwas Online-Shopping hat er schon gewagt, aber immer mit dem komischen Gefühl beim Eintippen der Kredikartennummer. Deshalb bestellt er lieber auf Lastschrift oder noch besser, auf Rechnung.
Die Tatsache, dass es diesen Begriff heute noch gibt, dass er immer wieder in TV-Sendungen, in politischen Debatten und ja, auch in Agentur-Briefings auftaucht, lässt mich seufzen und aufmerken zugleich. Seufzen, weil ich es nicht glauben kann, dass es im Jahr 12 nach Boris “Bin ich schon drin, oder was?” Becker noch immer Menschen am gut gebildeten Ende der Gesellschaft gibt, für die das Internet wahlweise ein großes Mysterium ist (“Was machen die Leute da?”) oder ein Sündenpfuhl (“Da wird man doch ständig beklaut!”) ist. Und aufmerken, weil ich dann weiß, dass ich für einen erfolgreichen Fortgang des Gesprächs ein paar Stufen einfacher erklären muss.
Aber wenn ich einen Wunsch frei hätte, so für den Rest des Jahres, dann wäre es toll, wenn einfach alle endlich akzeptierten und verstünden, dass das Internet erstens schon längst nicht mehr neu ist und zweitens einfach eine Infrastruktur ist wie die Leitungen, die den Strom in die Glühbirne bringen oder die Rohre, die das Wasser zum Wasserhahn leiten. Internet bringt eben Daten zu uns. Nicht mehr, nicht weniger.
Entscheidend für das Fortkommen unserer Gesellschaft und des Geschäftslebens ist nicht, ob eine Infrastruktur neu oder alt ist, sondern wie man sie dafür nutzt, mit anderen zu kommunizieren, Handel zu treiben und soetwas wie Kultur zu erschaffen. Lasst uns deshalb nicht fragen: “Was ist das?”, “Wie funktioniert das?” oder “Warum ist das anders als die Dinge, die wir schon länger kennen?”
Lasst uns stattdessen Antworten auf die Frage finden: “Was können wir damit bewegen?”